Von Menschen und Bäumen

Von Menschen und Bäumen

Mittwoch, 29. April 2020

Die verschwundene Grenze 1/3

Ich wurde in Berlin geboren.
Mein 1. Geburtstag war nur wenige Tage vorbei als diese Stadt durch eine Mauer getrennt wurde.
Ich wuchs im Ostteil der Stadt auf und die Grenze war für mich normal. Ich kannte die Stadt nicht anders.
Meine erste eigene Wohnung war nur wenige Meter vom Grenzübergang Checkpoint Charlie entfernt. Im Sommer 1989 wussten wir alle, dass sich bald etwas ändern würde aber die plötzliche Öffnung der Mauer überraschte uns. Plötzlich war die Stadt für uns doppelt so groß. Ich habe die Grenze nie vermisst und mir meine plötzlich so große Stadt Stück für Stück erobert. Alle Ecken kenne ich natürlich immer noch nicht.
Rings um Berlin entstand in den Jahren 2002 bis 2006 der Berliner Mauerweg. Es ist ein Wander-und Radweg entlang der ehemaligen Grenze. Informationstafeln vermitteln interessante Fakten zum ehemaligen Grenzsystem.
Bereits vor einigen Jahren hatten wir die Idee diesen Weg zu fahren. Erst kam etwas dazwischen, dann hatten wir etwas anderes vor und irgendwie vergaßen wir das Vorhaben.
Als wir den Urlaub für dieses Jahr planten, war die Idee wieder da.
Der Mauerweg ist 160 km lang. Wir planten die Tour in 3 Etappen mit zwei Übernachtungen. Ich organisierte Kartenmaterial, besorgte uns Radlerhosen (gepolstert) und buchte die Hotels.
Der Urlaub sah dann etwas anders aus als geplant. Die Woche Ostseeurlaub fiel aus und die Hotels hatten zu. Aber unsere Radtour machten wir!
Statt zu übernachten, fuhren wir abends mit der S-Bahn wieder nach Hause (und am nächsten Tag wieder mit der Bahn zu dem Punkt zurück) und statt unterwegs einzukehren hatten wir genug Proviant in den Fahrradtaschen. Da der Nahverkehr zur Zeit nicht sehr stark genutzt wird, kamen wir mit den Rädern auch gut in die Bahn. Abstand halten klappt beim Radeln auch gut.
Wir fuhren über Straßen, ehemalige Postenwege, durch den Wald, am Wasser vorbei, durch wunderbare Alleen, über Autobahnbrücken  und durch die Stadt.


Unsere 1. Etappe begann am Hauptbahnhof und führte uns an der Bernauer Straße vorbei. Dort befindet sich die Gedenkstätte Berliner Mauer. An einer Hausfassade kann man ein Mural sehen, dass eindrucksvoll an die Teilung der Stadt erinnert.


Bald waren wir an der Bösebrücke.

Auf dieser Brücke befand sich bis 1989 der Grenzübergang Bornholmer Straße. In der Nacht des 9. Novembers versammelten sich nach der berühmten Pressekonferenz an den Berliner Grenzübergängen tausende Menschen und verlangten den Grenzübertritt ( während ich schlief). Die Kommandeure der Grenzübergänge wurden von ihrer Führung allein gelassen und erhielten keine Handlungsanweisungen. Um 23.29 Uhr traf der diensthabene Kommandeur des Grenzüberganges Bornholmer Straße Oberstleutnant Harald Jäger eine Entscheidung, öffnete den Schlagbaum und damit die Grenze. Nachdem er seine Vorgesetzten darüber informiert hatte, erhielten die anderen Übergänge gegen 24.00 Uhr den Befehl ebenfalls die Wartenden passieren zu lassen.

Nachdem wir die Brücke passiert hatten, führte uns dieser wunderbare Weg aus der Stadt.


Blühende Obstbäume erfreuten uns noch oft in den 3 Tagen, so wie zum Beispiel in Pankow.


Bei wunderbarem Frühlingswetter radelten wir weiter über Straßen und durch Wald.


Irgendwann sahen wir einen Turm. Wir dachten, das sei ein ehemaliger Wachturm aber wir lernten hier den Unterschied zwischen Wachturm und Führungsstelle.


Auf unserem weiteren Weg überquerten wir die Autobahn. Nur anhand dieser Informationstafeln bemerkten wir, dass auf der Autobahn an dieser Stelle bis 1989 der Grenzübergang Stolpe war.


Wenig später erreichten wir die Havel, an der wir unserem ersten Etappenziel entgegen radelten.


Eine kleine Abweichung von der Route überraschte uns mit einem geöffneten Imbiss und wir freuten uns über Kaffee für mich und eine Currywurst für den Lieblingsmann.
Nach 60 km hatten wir den S-Bahnhof Spandau erreicht.

Ich verlinke diesen Post mit der Linkparty Frühlingsglück bei Loretta und Wolfgang.

14 Kommentare:

EricaSta hat gesagt…

Ein Stück Geschichte, die wir beide erlebt haben - Du, liebe Malesawi natürlich noch intensiver und näher dran, ganz klar. Diesen besonderen Radweg zu erobern, finde ich spannend und inspirierend zugleich. Und ich freue mich auf die weiteren Etappen. Es ist, bereichert durch Deine persönlichen Empfindungen noch einmal wertvoller. Danke fürs Teilen.

Bleibt gesund.

Frühlingsfrohe Grüße von Heidrun

Jutta hat gesagt…

Liebe Malesawi,

jeder hat seine eigene Geschichte. Ich war bereits 11 als die Grenze geschlossen wurde und kannte das alte Westberlin noch vor dem Mauerbau, da meine Großeltern dort gewohnt haben.
Tolle Bilder hast Du mitgebracht und Deine Gedanken dazu sind sehr interessant und runden diesen Post ab.

Liebe Grüße
Jutta

Schwabenfrau hat gesagt…

Liebe Malesawie,
der 13. August 1961, ich war 12 Jahre alt, ist mir noch in guter Erinnerung. Ich war bei der Oma in Cleversulzbach und wir verfolgten in der Gaststätte "Grüner Baum", die hatten einen Fernseher das Geschehen. Wie entsetzt wir alle waren. "Die machen die Grenze zu!"
Ich hatte eine Brieffreundin die Eva aus Stendal und meine Schwester wiederrum die Schwester von Eva die Bärbel. Meine Schwester hat zu dieesr Zeit (sie war 19) schon in Berlin in Wilmersdorf gewohnt und hat bei den Dürener Metallwerken, die es schon lange nicht mehr gibt, gearbeitet.
Ein Stück Geschichte und wie oft habe ich den Namen HO-Laden gehört.
Später haben wir immer Pakete nach Stendal geschickt. Doch leider ist der Kontakt nach der Wende plötzlich von Stendal aus eingeschlafen. Man brauchte uns nicht mehr, schade!
Eindrucksvolle Bilder zeigst du und ich bin mal gespannt, ob ich diesen Weg auch mal fahren darf. Vor hatte ich es dieses Jahr Berlin zu besuchen. Nun schauen wir mal.
Ich wünsche dir einen schönen Mai und ja Radler halten Abstand, aber es gibt auch andere, leider.

Hab einen schönen Tag und liebe Grüße Eva

Arti hat gesagt…

Da habt ihr eure Tour ja bei bestem Frühlingswetter gemacht. Herrlich wie die Bäume in Pankow gerade blühen. Bei all den Plänen, die man dieses Jahr gemacht hatte, heißt es einfach eine Alternative finden und das Beste daraus machen. Dies ist euch wirklich prima gelungen.
Mir gefällt an der Route auch, dass es so viele Schilder mit Erklärungen gibt. So wird Geschichte für ALLE erlebbar.

Liebe Grüße
Arti

Anonym hat gesagt…

Klasse, liebe malesawi,
dass ihr euch nicht habt abhalten lassen von eurer Mauer-Tour. Sehr interessant das alles und das wunderbare Wetter war ja gerade auch fürs radeln gut geeignet.
Liebe Grüße
herzlichst moni

Andrea Karminrot hat gesagt…

Ich liebe den Mauerweg! Erst letztens habe auch ich wieder ein paar Kilometer darauf zurück gelegt. Mit dem Rad und meinem Monstermädchen. Es waren 70 km. Leider haben wir keinen Imbiss entdeckt, aber blühende Bäume.
Ich bin übrigens auf der Westseite kurz nach dem Mauerbau geboren und in Kreuzberg groß geworden.
Liebe Grüße
Andrea

Kirsi schreibt hat gesagt…

Vielen Dank für die vielen tollen Fotos und Deine Erläuterungen, welche für Dich bestimmt sehr viel intensiver sind. Aber diesen Weg werde ich auch mal fahren (oder wandern) mal schauen. Ich freue mich auf jeden Fall Dich weiter begleiten zu dürfen.
Liebe Grüße und einen schönen 1. Mai
Kirsi

Rosa Henne hat gesagt…

Liebe Malesawi,
was für eine wundervolle Tour, mit Geschichte, reicher Blütenpracht und tollen Bildern. Schön, dass ihr euch dazu aufgemacht habt. Und vielen Dank fürs Zeigen. War sehr interessant. Mein Mann ist in Rathenow an der Havel geboren, doch seine Familie floh vor dem Mauerbau in den Westen.
Wünsche dir einen herrlichen Wonnemonat!
Liebe Grüße
Ingrid

Wolfgang Nießen hat gesagt…

Liebe Malesawi,
ein sehr interessanter Weg, den ich auch gerne mal fahren würde. Allerdings müssten dann die Hotels wieder geöffnet haben...
An die Maueröffnung kann ich mich noch gut erinnern, das hat mich damals tief berührt. Ich fand die Öffnung richtig gut.
Pass auf Dich auf und bleib gesund.

Viele liebe Grüße
Wolfgang

Rostrose hat gesagt…

Ach, so clever habt ihr das also gemacht mit der Tour ohne Übernachtungsmöglichkeit - einfach per S-Bahn heim und dann wieder zurück! (Ich hatte mich schon gefragt, ob ihr ein Zelt dabei hattet oder irgendwas in der Art...)
Eindeutig eine spannende, schöne und auch lehrreiche Radtour.
Angenehmes Wochenende und liebe Grüße,
Traude
🌱🌸🌧️🌾🌤️🌹🐝🌿
https://rostrose.blogspot.com/2020/04/auf-den-spuren-des-ludwig-van-in-baden.html

Neuer Gartentraum hat gesagt…

Eine für mich sehr informative Mauertour. Deine Bilder dazu gefallen mir ebenfalls sehr.
Ich bin lange vor der Mauer im Osten geboren und mit meinen Eltern direkt vor dem Mauerbau in den Westen geflohen. Meine Erinnerungen sind nur noch schwach. Um so schöner finde ich deinen Rückblick.
Viele Grüße
Anette

Naturwandererin hat gesagt…

Da ich beim Mauerbau gerade in Berlin meine Ausbildung gemacht habe, erinnert mich deine tolle Beschreibung der Radtour sehr intensiv an diese Zeit. Ich wohnte damals in Wannsee, Havel war mir bekannt und gebadet wurde im Wannsee, es war eine aufregende Zeit damals. Gerne würde ich nochmal nach Berlin reisen, mal schauen ob wir es noch einmal schaffen, immerhin, ich werde im nächsten Jahr 80 Jahre.Dir einen schönen Sonntag,
liebe Grüße
Edith

Mami Made It hat gesagt…

Ich bekomme immer noch Gänsehaut, wenn die Ereignisse der Grenzöffnung in Erinnerung gerufen werden. Obwohl Österreicherin und damals Studentin im Wiener Studentenheim, saßen wir alle vorm Fernseher und haben die Ereignisse mitverfolgt.
Super, dass ihr euren Urlaub dennoch irgendwie durchziehen konntet. Sehr findig!
LG Petra

Pascale hat gesagt…

Das ist ein toller Tip
wir möchten (wenn es dann wieder erlaubt ist) im Sommer nach Berlin fahren.
Da können wir gut die Räder mitnehmen und Deine vorgeschlagene Mauerroute mal abfahren.
Grüess Pascale