Am Morgen des 3. Tages ging es mit der S-Bahn wieder nach Teltow zurück.
Am Bahnhof Friedrichstraße mussten wir umsteigen. Hier befand sich zu DDR-Zeiten ein Grenzübergang. Er hatte eine große Abfertigungshalle, die im Volksmund Tränenpalast genannt wurde. Heute befindet sich dort eine interessante Ausstellung zur deutschen Teilung.
Wer dort die Abfertigung und Zollkontrolle passiert hatte, betrat den Teil des Bahnhofes, der im Westteil lag und konnte von dort aus mit der S-Bahn ins westberliner Gebiet weiterreisen. Dieser Teil des Bahnhofes war für die Benutzer der ostberliner S-Bahn nicht einsehbar und ich war nach der Grenzöffnung sehr überrascht, wie groß dieser Bahnhof ist. Um nach Teltow zu kommen, mussten wir den unterirdischen Bahnsteig benutzen, von deren Existenz ich bis 1990 nichts wusste.
In Teltow fuhren wir am Teltowkanal entlang und erreichten bald eine wunderbare Kirschblütenallee.
Ein japanischer Fernsehsender sammelte bei seinen Zuschauern mehr als eine Million Euro an Spenden um an Orten der ehemaligen Grenze Kirschbäume zu pflanzen.
Dass in 9000 km Entfernung Menschen von unserer Grenzöffnung so begeistert waren, dass sie soviel Geld für ein blühendes Geschenk sammelten, berührt mich sehr. Als ich nach der Tour dazu recherchiert habe, erfuhr ich, dass auch in "meinen" Gärten der Welt Kirschbäume aus dieser Aktion stehen.
Unser Weg führte uns weiter durch die Frühlingslandschaft. Wir fuhren durch kleine Wäldchen und über den ehemaligen Postenweg, manchmal mit Blick auf die Stadt.
Bei Großziethen sieht man, wie dicht die Mauer an der Stadt entlanglief. Die Hochhäuser gehören zur Gropiusstadt, einer Großraumsiedlung im damaligen Westberlin. In Großziethen gab es von 1973-1977 ein "Loch" in der Grenze. Dort passierte die westberliner Müllabfuhr die Grenze, um in Großziethen Müll abzukippen. Westberlin war ja faktisch eine Insel und musste seinen Müll loswerden und die DDR brauchte Devisen.
Etwas später passierten wir einen ehemaligen Grenzübergang, deren Existenz mir nie bewusst war. In Schönefeld konnten Westberliner, die zum Flughafen Schönefeld wollten, die Grenze passieren.
Hier verließen wir Brandenburg und radelten wieder auf Berliner Gebiet weiter, vorbei an Mauerresten in Altglienicke und dem ehemaligen Grenzübergang Sonnenallee.
Der Streifen Kopfsteinpflaster und die Infotafel sind das Einzigste was an die Grenze erinnert.
Mit Blick auf die Treptower Hochhäuser genossen wir einen Kaffee und ein Bier, welches uns eine Vereinsgaststätte über den Gartenzaun verkaufte. Danach ging es weiter durch die Stadt bis zur Oberbaumbrücke.
Die Oberbaumbrücke ist meine Lieblingsbrücke in Berlin. In unmittelbarer Nähe befindet sich am Ufer der Spree die bekannte
East Side Gallery. Dort waren wir schon oft aber diesmal fehlten die Menschenmassen. Als ich etwas später an einer Kreuzung auf meinen Lieblingsmann wartete, bemerkte ich das Straßenschild und bemerkte erstaunt, dass dort mal der Grenzübergang Heinestraße war.
Die Grenze, die einmal diese Stadt prägte, ist verschwunden als ob es nie gegeben hätte. Die Streifen auf der Straße zeigen, dass hier eine bestehende Stadt willkürlich getrennt wurde. Am Grenzübergang Heinestraße bin ich oft mit dem Kinderwagen vorbeispaziert und jetzt erkenne ich die Gegend kaum wieder. Der nächste Grenzübergang auf unserer Tour war nicht weit entfernt von der Heinestraße. In der Nähe des Checkpoints Charlie war unsere erste Wohnung. Vom Balkon sahen wir auf die Grenze und nicht nur einmal weckte uns die Grenzsirene. Diesmal fuhren wir dort, wo früher die Mauer stand und die Gegend hatte sich völlig verändert. Neu gebaute Häuser stehen im ehemaligen Grenzstreifen.
Hinter dem berühmten Grenzübergang stehen noch einige Mauerreste. Das Foto der Mauerreste ist aus meinem Archiv. Wir hatten diesmal keine Lust anzuhalten, weil das Ziel schon nah war.
Rechts vorne ist das inoffizielle Ziel unserer 3 Tagesroute zu sehen: Das Brandenburger Tor!
Das Brandenburger Tor wurde in meiner Kindheit und später als die Sehenswürdigkeit von Berlin, Hauptstadt der DDR gepriesen. Aber ich konnte es immer nur aus 200 m Entfernung sehen. Als es im Verlauf der Maueröffnung möglich wurde, durch das Brandenburger Tor zu spazieren, musste ich dort hin und es berühren. Auch heute ist es für mich immer besonders dort zu sein.
Von dort waren es nur noch 2 km bis zum Hauptbahnhof, dem Start- und Endpunkt der Tour.
3 Tage folgten wir dem Verlauf der ehemaligen Grenze. Wir hatten Freude am Rad fahren, genossen den Frühling, besuchten bekannte und uns unbekannte Orte meiner Stadt und im Umland. Wir lernten dazu und waren immer wieder erstaunt, wie spurlos diese Grenze verschwunden ist.
Beim Nachbereiten der Tour stellten wir fest, dass wir 2 ehemalige Grenzübergänge gleich zu Beginn der Tour von uns unbemerkt passiert hatten.
Im November 1989 wurde ich von der Öffnung der Grenze überrascht. Damals dachten wir, dass wir nun ein-und ausreisen dürfen. Das die Grenze verschwindet konnten wir uns nicht vorstellen.
Inzwischen ist die gesamte Stadt meine Stadt.
Ich liebe mein Berlin.